- Abb.1: Das Das LBT mit seinen beiden 8.4m-Spiegeln bei geöffnetem Gebäude, bei dem es sich nicht um eine klassische Kuppel handelt. Das Gebäude ist frei drehbar und hat eine Höhe von etwa 60 Metern (Quelle: LBTO)
Das Large Binocular Telescope (LBT)
Das Large Binocular Telescope (LBT) ist ein wissenschaftliches Großprojekt mit organisationsübergreifender internationaler Zusammenarbeit.
Es wurde am 15. Oktober 2004 auf dem Mt. Graham in Arizona eingeweiht. Der erste wichtige Meilenstein für jedes neue Teleskop - das "First Light" - wurde im Oktober 2005 erreicht.
Nach der offiziellen Inbetriebnahme des ersten High-Tech-Messinstruments im Dezember 2006, erfolgte in der Zeit vom Januar bis Juni 2007 die sogenannte "Science Demonstration Time (SDT)". Damit konnte das wissenschaftliche Potential des Teleskops unter Beweis gestellt und die ersten rein wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht werden.
Allgemeines
- Abb.2: Ausschnitt aus dem "First-Light"-Bild des LBT aus dem Jahr 2005. Es zeigt die Galaxie NGC 891 in 24 Millionen Lichtjahren Entfernung (Quelle: LBTO).
Hauptelemente des LBT sind zwei 8.4 m Bor-Silikat-Spiegel, die auf einer gemeinsamen Montierung sitzen.
Die Hauptspiegel sind nicht massiv, sondern besitzen einen honigwabenartigen Aufbau. Dieser führt zu einem äußerst geringen Gewicht von nur 16 Tonnen pro Spiegel. Diese und weitere besondere Eigenschaften des Teleskops erlauben eine kompakte Struktur und somit auch ein kostengünstiges Teleskopgebäude. Das Teleskop ist 24 m breit, 15 m tief und 21 m hoch und besitzt dennoch nur ein Gesamtgewicht von 600 Tonnen, was dem Gewicht eines klassischen Großteleskops der 4 m-Klasse entspricht.
Das LBT erreicht das Lichtsammlungsvermögen eines 12m-Teleskops, sowie bei geeigneter Zusammenführung der beiden Strahlengänge die räumliche Auflösung eines 23m-Teleskops. Die Kosten für das gesamte LBT betragen dabei nur etwa 100 Millionen Euro und liegen sogar unter den Kosten eines Teleskops der 8-10 m-Klasse. Das innovative und zum Teil revolutionäre Konzept des LBT ist der Hauptgrund für die relativ geringen Kosten.
Standort
Das Teleskop befindet sich auf dem 3190 m hohen Mount Graham in Arizona, einem Standort, an dem keine Großstadtlichter und nur selten Dunst oder Wolken die Beobachtungen behindern. Verantwortlich für den Bau, Betrieb und die Nutzung des LBT ist ein internationales
Konsortium bestehend aus Partnern aus den USA, Italien und Deutschland.
Die Beteiligung sichert den deutschen Astronomen ein Viertel der Beobachtungszeit an diesem einzigartigen Teleskop (Einzelheiten zu den beteiligten Partnern finden Sie hier).
Das LBT wurde in einer Höhe von 30 Metern über der Erde auf einem massiven Zementsockel aufgebaut. Diese Höhe ist notwendig, um über die erdnahen Turbulenzschichten und die Baumwipfel in der Umgebung hinauszukommen. Ein 60 Meter hohes, frei bewegliches rechteckiges Teleskopgebäude schützt das LBT vor Wind und Wetter. Gelegentliche Stürme auf dem Gipfel können sehr heftig sein, und die Kuppel muß anhaltenden Winden von über 200 km/h standhalten.
Das Observatorium beansprucht äußerst wenig Gelände, um ökologischen Gesichtspunkten auf dem Mount Graham Rechnung zu tragen. Das Teleskop und die dazugehörigen Gebäude sind auf einem Gelände von weniger als 70 Metern x 70 Metern untergebracht. Die ständige Überwachung durch das Observatoriumspersonal und die Forstbeamten gewährleistet, dass der Betrieb des Observatoriums fast keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt hat.
Konzept
Auf dem Weg zur nächsten Generation von Großteleskopen (den sogenannten ELTs, über die Sie
hier mehr erfahren können) ist das Large Binocular Telescope zweifellos eines der herausragenden wissenschaftlich-technischen Projekte der modernen astronomischen Forschung.
Das LBT vereint zwei hyperbolisch gekrümmte Spiegel mit jeweils 8.4 Metern Durchmesser auf einer Montierung und ist damit heute das größte Einzelteleskop der Welt. Es repräsentiert wie kaum ein anderes Teleskop eine neue Ära in der beobachtenden Astronomie, denn es überwindet mit seiner Konstruktion und Beobachtungstechnologie einige Grenzen, die noch bis Anfang der Neunziger Jahre den Bau von Teleskopen dieser Größe unmöglich oder unsinnig erschienen ließen.
- Abb.4: Das LBT steht auf einem massiven Zementsockel (vgl. Text).
Prinzipiell charakterisiert der Durchmesser des Hauptspiegels die Leistungsfähigkeit eines Teleskops. Diese »Freie Öffnung« (bei Linsenteleskopen der Objektivdurchmesser) bestimmt Lichtstärke und Auflösungsvermögen. Tatsächlich setzen jedoch Turbulenzen in der Erdatmosphäre die Bildschärfe eines Großteleskops auf das Niveau eines Amateurteleskops herab. Auch setzten die früheren Herstellungsverfahren dem Guss großer und formstabiler Einzelspiegel eine Grenze bei etwa fünf Metern Durchmesser. Selbst wenn man in der Lage wäre, wesentlich größere Spiegel dieser Art herzustellen, würde ein damit ausgestattetes Teleskop in der klassischen Bauweise allein durch das Spiegelgewicht viel größere Ausmaße besitzen, als das ohnehin riesige LBT. Dies wäre allein aufgrund der zu bewegenden Massen und der erforderlichen mechanischen Präzision kaum realisierbar. Seit einigen Jahren ist man jedoch in der Lage, dünnere und deutlich leichtere Spiegel zu gießen. Ein nach klassischem Verfahren hergestellter 8-m-Spiegel würde 100 Tonnen wiegen – ein Spiegel des LBT wiegt »nur« 16 Tonnen. Die damit verbundene, früher als Nachteil betrachtete Verformbarkeit nutzt man heute aus, um einen solchen Spiegel in seiner Halterung, trotz der sich ständig ändernden Orientierung des Teleskops und der damit verbundenen Veränderung der Gewichtskräfte, immer in der optimalen Form zu halten. Dieses als Aktive Optik bezeichnete Verfahren funktioniert beim LBT mittels zahlreicher Sensoren und per Computer steuerbarer Auflagepunkte auf der Rückseite der Spiegelzellen.
Die leichtgewichtigen und trotz ihrer Größe recht kurzbrennweitigen Spiegel, Fortschritte im Bau der Teleskopmontierungen, sowie präzisere Computersteuerungen für die Bewegung der Teleskope um zwei Achsen helfen, auch den für das LBT nach wie vor beträchtlichen mechanischen Aufwand zu bewältigen. Beide Spiegel zusammen sammeln so viel Licht wie ein Teleskop mit einer Öffnung von 11,8 Metern. Damit wird das Weltraumteleskop HUBBLE um einen Faktor 24 übertroffen. Die Oberflächen der Spiegel sind dabei auf 20 Millionstel Millimeter genau poliert. D.h. auf einem LBT-Spiegel, vergrößert auf die Fläche des Bodensees, wären die »Wellen« nur ein fünftel Millimeter hoch!
- Abb.5: Zum Funktionsprinzip des LBT (vgl. Text).
Um die oben genannten atmosphärischen Störungen zu kompensieren, sind das LBT bzw. die dazu gehörigen Messinstrumente mit Komponenten sogenannter Adaptiver Optik ausgestattet. Die Turbulenzen der Erdatmosphäre werden dabei in Echtzeit analysiert, woraufhin schnell verformbare Spiegel im Strahlengang derart gesteuert werden, dass sie Bildfehler erzeugen, die den Störungen entgegengesetzt sind. Im Ergebnis erhält man eine scharfe Abbildung. Die Instrumente decken fast alle für Astronomen relevanten Anwendungsbereiche ab. Es können sowohl Bilder als auch Spektren in verschiedensten Auflösungen und Spektralbereichen (z.B. im sichtbaren Licht und Nah-Infrarot) aufgenommen werden. Zu den Instrumenten zählen aber auch solche, die
der Zusammenführung der Strahlengänge der beiden Spiegel dienen. Dabei soll nicht nur das Licht der Einzelspiegel einfach in einem Bild gesammelt werden. Vielmehr soll durch Interferometrie - d.h. die auf Wellenlänge genaue Überlagerung der Strahlengänge das Auflösungsvermögen eines einzelnen 23-m-Spiegels erreicht werden. Dies ist nämlich der Abstand zwischen den äußeren Rändern der beiden Hauptspiegel.
Fast ein Dutzend High-Tech-Messinstrumente werden von den einzelnen Partnern des Konsortiums gebaut bzw. sind zum Teil bereits in Betrieb (Einzelheiten zur Adaptiven Optik, Interferometrie und den Instrumenten finden Sie hier)
Lichtstärke und Auflösungsvermögen des LBT erlauben nicht nur den Nachweis schwächster oder extrem weit entfernter Objekte, sondern auch die detaillierte Untersuchung ihrer Struktur. Ein Gedankenexperiment macht die enorme Leistungsfähigkeit des LBT deutlich: Zwei im gegenseitigen Abstand von 100 Metern aufgestellte brennende Kerzen könnte es noch aus einer Entfernung von 2.5 Millionen Kilometern (dem Sechsfachen der Monddistanz!) als getrennte Lichtquellen nachweisen.
Vorausichtlich zehn Jahre lang wird das LBT das größte Einzelteleskop der Welt bleiben. Es eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten für die Erforschung von Planeten außerhalb des Sonnensystems oder zur Untersuchung der fernsten und damit jüngsten Galaxien.
(Informationen zu den Forschungszielen finden Sie hier)