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Großteleskope und ELTs

In gewissem Sinne stellt das Large Binocular Telescope das erste Exemplar einer zukünftigen Großteleskop-Generation dar, die inzwischen unter dem Begriff ELTs - Extremely Large Telescopes - in den Sprachgebrauch der Astronomen Eingang gefunden hat. Das liegt daran, dass ELTs nicht einfach nur besonders große Teleskope sind, sondern dass man mit ihnen auch gewisse neue technische Innovationen und Merkmale verbindet, die weitgehend alle beim LBT im Falle der erfolgreichen Implementierung der finalen Ausbaustufe vorhanden wären.

Abb.1: Das 3.5m-Teleskop auf dem Calar Alto als Beispiel für ein klassisches Großteleskop. Die Kuppel hat eine Höhe von 43 Metern und übertrifft damit die eines der 8m-VLT-Teleskope um 10m. (Quelle: CAHA)

Klassische Großeteleskope

Die optische Leistungsfähigkeit eines Teleskops ist im wesentlichen durch zwei Merkmale charakterisiert: Lichtsammlungsvermögen und Auflösung. Beide Merkmale verbessern sich mit steigendem Durchmesser des bildgebenden Objektivs - bei Teleskopen ab etwa einem Meter Durchmesser handelt es sich dabei ausnahmslos um Hohlspiegel. Ob ein Teleskop seine volle optische Leistungsfähigkeit in der Praxis jedoch erreicht, hängt von sehr vielen Dingen ab, die insbesondere extrem hohe Ansprüche an die technische Umsetzung erfordern. Je größer das Teleskop sein soll, umso aufwändiger wird es, entsprechende Spiegel zu gießen, präzise arbeitende Montierungen und Messinstrumente zu bauen, einen entsprechenden Schutzbau zu errichten und - selbstverständlich - die finanziellen Mittel aufzubringen. Hinzu kommt, dass selbst ein hinsichtlich Optik und Montierung perfektes Teleskop am Erdboden normalerweise bei weitem nicht sein theoretisch mögliches Auflösungsvermögen erreichen kann, weil Störungen in der Erdatmosphäre die Bildqualität zunichte machen.

Seit dem Bau des berühmtem 5m-Spiegelteleskops auf dem Mount Palomar in Kalifornien in den Vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind selbst modernere Varianten bis in die Achtziger Jahre hinein nicht größer geworden. Immerhin konnte die Leistungsfähigkeit dieser Teleskopklasse erheblich durch die Entwicklung der Instrumentierung verbessert werden. Insbesondere ist hier die Einführung von elektronischen Detektoren (CCDs) zu nennen. Mit ihnen kann heute praktisch jedes Photon, welches in das Teleskop fällt, registriert werden. Die klassische Photoplatte konnte hier bei weitem nicht mithalten und es wurde jede Menge an Licht verschenkt. Was die Auflösung betrifft, war ein klassisches Großteleskop bedingt durch die Störungen der Erdatmosphäre jedoch weiterhin nicht wirklich besser als ein größeres Amateurteleskop.

Aktuelle Großeteleskope - auf dem Weg zu den ELTs

Die herausragenden Innovationen der letzen zwei bis drei Jahrzehnte haben es aber möglich gemacht, dass es seit den Neunziger Jahren eine neue Generation von Großteleskopen der 8-10m-Klasse gibt und dass nun an noch deutlich größere Teleskope überhaupt gedacht werden kann.

Erst seit etwa 20 Jahren ist es möglich, deutlich größere und vor allem gleichzeitig dünnere und/oder leichtere Spiegel zu gießen, die wiederum eine leichtere Montierung erlauben. Die Einführung der Aktiven Optik, bei der die Form eines großen Hauptspiegels mittels computergesteuerter Spiegelhalterungen in jeder Teleskopposition optimiert werden kann, machte diese Spiegel erst nutzbar. Weiterhin können heute alternativ größere Hauptspiegelflächen durch die Kombination von Spiegelsegmenten erzielt werden. Die neue Möglichkeit - durch Fortschritte in der Computer- und Steuerungstechnik - auch sehr große Teleskope auf relativ platz- und gewichtssparenden Azimutalmotierungen zu installieren und trotzdem perfekt zu positionieren und den Himmelsobjekten nachzuführen, war ebenfalls eine erhebliche Erleichterung hinsichtlich Gesamtgröße und Kosten eines Observatoriums.

Abb.2: Die vier 8m-Teleskope des Very Large Telescope (VLT) auf dem Berg Paranal in der Chilenischen Atacama-Wüste. (Quelle: ESO/H.H. Wagner)



Insbesondere drei Entwicklungen der jüngsten Zeit sind für eine erhebliche Leistungssteigerung der Teleskope verantwortlich bzw. werden diese enorm verbessern. Bereits fast überall in Betrieb sind Infrarotdetektoren, die diesen für die Astrophysik so wichtigen Spektralbereich erschlossen haben. Ebenfalls im Einsatz bei fast allen größten und modernsten Teleskopen ist die Adaptive Optik. Mit Ihr gelingt es, die durch Störungen der Erdatmosphäre hervorgerufenen Unschärfen (das Seeing) nahezu perfekt in Echtzeit zu korrigieren und so das theoretisch mögliche Auflösungsvermögen eines Teleskops nahezu zu erreichen. Dies geschieht mittels in Millisekunden deformierbarer Spiegel im Strahlengang, die Bildfehler erzeugen, welche denen der Störungen entgegengesetzt sind. Die auf diese Weise erhöhte Bildschärfe hat auch einen Empfindlichkeitsgewinn zur Folge, denn das Licht z.B. eines sehr schwachen Sternes wird nicht mehr über eine große Detektorfläche ausgeschmiert und "ertrinkt" somit nicht mehr so leicht im Detektorrauschen.

Abb.3: Auf dem Weg zu den ELTs: das LBT (Quelle: LBTO, David Harvey).



Die dritte wichtige Entwicklung stellt die Interferometrie dar.
Da das Auflösungsvermögen eines Teleskops durch seinen Durchmesser definiert ist, liegt der Gedanke nahe, die Strahlengänge mehrerer Hauptspiegel oder gar Teleskope zu einem gemeinsamen Bild zu kombinieren und auf diese Weise ein deutlich größeres Teleskop zu simulieren. Dabei müssen allerdings die getrennten Strahlengänge unter präziser Berücksichtigung von Laufzeitdifferenzen phasengerecht (d.h. auf Wellenlänge genau) überlagert werden. Bei einem am Very Large Telescope der ESO in Chile (vier 8m-Teleskope) angewandten Verfahren gelingt es bereits, Auflösungsinformation zu erhalten. Richtige zweidimensionale Bilder gewinnt man direkt allerdings noch nicht.
Beim LBT will man dieses Ziel jedoch mit der Inbetriebnahme des LINC-NIRVANA-Instruments tatsächlich erreichen. Dies ist aber eine der größten technischen Herausforderungen im Bereich moderner Großteleskope.

Die nächste Generation - Extremely Large Telescopes (ELTs)

Abb.4: So soll es einmal aussehen: Das Europaen Extremely Large Telescope - kurz: E-ELT mit einem 39m-Spiegel (Computer-Rendering) (Quelle: ESO).

Die gegenwärtig größten Teleskope der Welt sind Fernrohre der 8-10m-Klasse. Seit einigen Jahren laufen nun ersthafte Planungen, Teleskope zu bauen, deren Lichtsammlungsvermögen und Auflösung der eines Teleskops weit jenseits von 20m Durchmesser enspricht. Sehr konkret in Vorbereitung ist das European Extremely Large Telescope (E-ELT) der ESO, welches einen Hauptspiegeldurchmesser von 39 Metern haben soll. Auf amerikanischer Seite plant man derzeit am TMT, dem Thirty Meter Telescope, welches folglich 30 Meter Spiegeldurchmesser haben soll.

Die Realisierung von Teleskopen dieser Größenordnung ist ohne die Kombination der oben genannten neuen technischen Innovationen undenkbar. Sowohl für E-ELT als auch TMT sind segmentierte Hauptspiegel vorgesehen, beide werden azimutal montiert sein, der Betrieb beider Teleskope ist nur sinnvoll, wenn adaptive Optik zum Einsatz kommt, u.v.m.

Viele dieser Techniken kommen auch beim LBT zum Einsatz. Die Lichtsammelfläche von effektiv 12 Metern Duchmesser macht das LBT zwar zum derzeit größten Einzelteleskop der Welt - aber damit noch nicht zu einem ELT (nach obiger Definition). Gelingt jedoch die interferometrische Kombination der beiden Einzelspiegel, stößt man zumindest hinsichtlich der Auflösung langsam in jenen Bereich vor, denn das LBT würde dann vom Durchmesser her einem 23-Meter-Teleskop entsprechen. Auch die Größe und Komplexität von LBT-Instrumenten wie LINC-NIRVANA oder PEPSI gibt einen Eindruck von den Dimensionen der Instrumentierung, die zweifellos an einem Teleskop wie dem E-ELT betrieben werden muss.
Das erste "wirkliche" ELT wird vermutlich nicht vor Ende des Jahrzehnts seinen Betrieb aufnehmen.

Letzte Änderung / Last update: 12.06.2012/K.Jäger