Pressemitteilung 09-07-10
Pressemitteilungen 2009


»First Light« auf dem neuen ESA-Weltraumteleskop:
Herschel beobachtet den Anfang und das Ende von Sternen


Nach zehn Jahren Entwicklungsarbeit an den drei wissenschaftlichen Instrumenten für das Weltraumteleskop HERSCHEL und einem erfolgreichen Start des Satelliten mit einer Ariane-V-Rakete am 14. Mai 2009 konnten nun bereits die ersten Bilder und Spektren von Himmelsobjekten gewonnen werden. Deutsche Astrophysiker von mehreren Max-Planck-Instituten (für Astronomie in Heidelberg, für Extraterrestrische Physik in Garching, für Radioastronomie in Bonn, für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau) sind an diesem ESA-Projekt, sowohl durch Beiträge zu den wissenschaftlichen Instrumenten an Bord des Satelliten als auch bei der Definition des Beobachtungsprogramms, beteiligt.

Eines der drei Instrumente ist HIFI, das »Heterodyne Instrument for the Far Infrared«. Es ist ein hochauflösendes Spektrometer, darauf spezialisiert, detaillierte Information aus Spektrallinien im fernen Infrarot, quasi den Fingerabdrücken von Atomen und Molekülen des kalten interstellaren Mediums, zu gewinnen. »Zusätzlich zu den vertrauten Bildern des Himmels in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen geben uns solche Spektren sehr detaillierte Auskunft über die physikalischen Bedingungen und die chemische Zusammensetzung des interstellaren Mediums, sowie über dessen interne Dynamik. Spektroskopie ist deshalb unverzichtbar um ein vollständiges Bild zu erhalten«, erklärt Jürgen Stutzki von der Universität zu Köln, der leitende HIFI-Wissenschaftler auf deutscher Seite.

Abb. 1

Abb1: Tief verborgen in der Riesen-Molekülwolke DR 21 im Sternbild Schwan richten neu entstandene Sterne in ihrer kosmischen Kinderstube massiven Schaden an. Das Falschfarbenbild im Hintergrund (NASA, Spitzer) zeigt die Gesamtverteilung der interstellaren Materie im Licht von warmem Staub, der durch die eingebetteten jungen Sterne aufgeheizt wird. Das Teilbild zeigt die Spektrallinie von ionisiertem Kohlenstoff, wie sie jetzt mit HIFI beobachtet wurde. Diese Linie leistet einen wichtigen Beitrag zur Kühlung des interstellaren Gases. Sie kann vom Boden aus nicht beobachtet werden, weil bei diesen Frequenzen die Erdatmosphäre undurchsichtig ist. Die breite Linie (in rot) an der Position eines neu entstandenen Sterns zeigt die Anwesenheit eines starken stellaren Windes an, der die umgebende Wolke auseinander reißt. Im Gegensatz dazu zeigt die Kontrollposition (in blau) die viel schmälere Emissionslinie vom ungestörten Teil der Wolke.

HIFI, das Heterodyn-Instrument für das ferne Infrarot, ist ein außerordentlich komplexes Instrument, und kein einzelnes Institut, ja, nicht einmal ein einzelnes Land könnte alleine die nötige Expertise zusammenbringen um eine derartiges Gerät zu bauen. Dementsprechend wurde HIFI von einem großen, internationalen Konsortium gebaut. 25 Institute aus 13 Ländern brachten ihr technologisches Können ein um das Instrument unter der Leitung des niederländischen »Principal Investigator« Frank Helmich (SRON, Groningen) zu entwickeln. Tatsächlich wären einige Komponenten von HIFI vor zehn Jahren, als mit der Entwicklung begonnen wurde, technisch noch gar nicht möglich gewesen – sie wurden erstmals während des Projekts innerhalb des HIFI-Konsortiums realisiert.

Auf deutscher Seite waren es das Physikalische Institut der Universität zu Köln, das MPI für Radioastronomie in Bonn und das MPI für Sonnensystemforschung in Lindau, die essentielle Komponenten für das HIFI-Instrument beistellten. »Wir freuen uns schon darauf, die einzigartigen Fähigkeiten von HIFI und Herschel dafür zu nutzen, die Entstehung von Sternen in anderen Galaxien, aber auch in unserer eigenen Milchstraße, zu untersuchen«, sagt Rolf Güsten vom MPI für Radioastronomie in Bonn. Und Paul Hartogh vom MPI für Sonnensystemforschung in Lindau fügt hinzu: »Herschel und besonders HIFI werden uns neue Einblicke in die chemische Zusammensetzung, die Entwicklung, die Dynamik und Struktur der Atmosphären von anderen Planeten und von Kometen in unserem Sonnensystem gewähren; von besonderem Interesse ist dabei der Ursprung von Wasser.«

Als Teil der »First Light«-Beobachtungen hat HIFI ein Entstehungsgebiet massereicher Sterne in der Milchstraße mit dem Namen DR 21 beobachtet. Volker Ossenkopf, Wissenschaftler an der Universität zu Köln, merkt dazu an: »Niemals zuvor ist diese Linie des ionisierten Kohlenstoffs mit so hoher Genauigkeit und Winkelauflösung gemessen worden. Das ist äußerst vielversprechend für das wissenschaftliche Programm, das meine Kollegen und ich entwickelt haben, um die Sternentstehungsaktivität in solchen Gebieten besser verstehen zu können.«

Das zweite der drei HERSCHEL-Instrumente heißt PACS (»Photodetector Array Camera and Spectrometer«). Es besteht aus einer photometrischen Kamera und einem Spektrographen. Der Kamera ist bereis in einer Art »Vorpremiere«, d.h. noch vor Beginn der umfangreichen Feineinstellungen, eine spektakuläre Aufnahme der so genannten Whirlpool-Galaxie (M 51) gelungen, mit einer im Ferninfraroten zuvor unerreichten räumlichen Auflösung. Am 23. Juni hat nun hat auch der Spektrograph sein erstes Licht gesehen. Dieser Teil von PACS ist in der Lage, Bilder von Himmelsobjekten im Licht einzelner Spektrallinien aufzunehmen, also in engen, genau definierten Wellenlängenbereichen. Beide Teilinstrumente ergänzen einander perfekt: das Photometer, das Licht in breiten Wellenlängenbereichen misst, ist zur Beobachtung des kalten Staubs im Universum optimiert, während der Spektrograph die physikalischen Eigenschaften und die chemische Zusammensetzung der gasförmigen Materie untersucht. Das Licht, das dabei von PACS genutzt wird, liegt im Bereich 60 bis 200 Mikrometer und hat etwa 200-mal größere Wellenlängen als sichtbares Licht. Die erste Spektralaufnahme mit PACS galt dem planetarischen Nebel NGC 6543 (mit dem Spitznamen »Katzenaugennebel«) im Sternbild Drache. Er wurde von Wilhelm Herschel im Jahr 1786 entdeckt. Planetarische Nebel bestehen aus dem leuchtenden Gas und Plasma, das von sonnenähnlichen Sternen gegen Ende ihres Lebens abgestoßen wird.

Christoffel Waelkens von der Katholischen Universität Leuven in Belgien, einer der Forschungsleiter für PACS, erklärt: »Sterbende Sterne geben einen großen Teil ihrer Masse an das interstellare Medium zurück, was zur Bildung spektakulärer Nebel führt. Uns interessiert zum Beispiel, wie ursprünglich kugelförmige Sterne Nebel formen können, die eine so komplexe Struktur haben, wie etwa NGC 6543. Um das zu verstehen, müssen wir die Prozesse nahe an der Sternoberfläche untersuchen, wo die Materie abgestoßen wird. Mit dem PACS-Spektrographen ist es nun möglich, Dichte, Temperatur, Bewegung und Zusammensetzung des Sternwinds mit hoher räumlicher Auflösung zu messen und zu sehen, wie dadurch die dreidimensionale Struktur des Nebels beeinflusst wird«.

Die Aufnahme mit PACS konzentrierte sich auf die Spektrallinien des neutralen Sauerstoffs ([O I]) bei 63 Mikrometern und des zweifach ionisierten Stickstoffs ([N III]) bei 57 Mikrometern. Zusätzlich wurde im 70-Mikrometer-Filter des PACS-Photometers die ringförmige Verteilung von Staubwolken gemessen.


Abb. 2

Abb. 2: Das hier gezeigte Bild enthält einen »Schnappschuss« der Stickstoffspektren, mit der darunter montierten photometrischen Aufnahme des Staub-Kontinuums. Eine Nah-Infrarotaufnahme des Spitzer Weltraumobservatoriums veranschaulicht dabei, welchen Teil des Kernbereichs die PACS-Aufnahmen abdecken. Der untere Teil des Bildes zeigt einen Vergleich der unterschiedlichen räumlichen Verteilung der beiden Spektrallinien. Diese spektralen Helligkeitsverteilungen wurden aus einem Mosaik von 9 leicht gegeneinander versetzten »Schnappschüssen« rekonstruiert. Die unterschiedliche Verteilung ist am deutlichsten im zusammengesetzten Zwei-Farben-Bild unten rechts zu erkennen (neutraler Sauerstoff in grün, ionisierter Stickstoff in rot). An der Stelle, an der der Stickstoff am stärksten ist, befindet sich ein Loch in der Sauerstoffverteilung.

Das neuartige Instrument PACS verwendet speziell entwickelte, hochempfindliche Detektoren – die empfindlichsten an Bord des Satelliten – und benötigt ausgeklügelte Mechanismen, um die schwachen Signale aus dem All präzise zu vermessen. Oliver Krause vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, verantwortlich unter anderem für die Entwicklung eines dieser Mechanismen und für die Charakterisierung einiger der verwendeten Detektoren, ist daher überglücklich: »Diese Aufnahmen beweisen, dass die komplizierte Technik die hohen Anforderungen voll erfüllt.«

Der leitende Wissenschaftler des PACS-Konsortiums, Albrecht Poglitsch vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching, Deutschland, verweist darauf, dass diese »Premieren-Aufnahmen« von PACS zwar von hervorragender Qualität sind, aber noch einer genauen Kalibrierung bedürfen (etwa der genauen räumlichen Zuordnung und der Quantifizierung der Linienstärken der einzelnen Spektren). Dies ist das Ziel der bevorstehenden Testphase des Herschel-Observatoriums. »Aber bereits jetzt«, so Poglitsch, »erfüllen die Spektren alle unsere Erwartungen und zeigen uns, dass unsere großen Hoffnungen begründet waren. Der enorme Aufwand, der für die Entwicklung von PACS betrieben werden musste, zahlt sich nun aus, und die wissenschaftlichen Projekte, die wir uns vorgenommen haben, sind nun tatsächlich durchführbar. Wir werden mit PACS noch viel Spaß haben.«

PACS wurde entworfen und entwickelt von einem europäischen Konsortium aus Instituten und Universitätsabteilungen unter der Leitung von Albrecht Poglitsch, dem Principal Investigator am Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik (MPE) in Garching, Deutschland. Zum Konsortium gehören: IMEC, KUL, CSL (Belgien); MPE und MPIA (Deutschland); IMEC, KUL,CEA, OAMP (Frankreich); IFSI, OAP/AOT, OAA/CAISMI, LENS, SISSA (Italien); Universität Wien (Österreich); IAC (Spanien); Konkoly (Ungarn); NHSC (USA)

Kontakt:
Dr. Jakob Staude
Pressesprecher
Max-Planck-Institut für Astronomie
Tel.: (+49|0) 6221 – 528 229
E-Mail: staude@mpia.de

Dr. Oliver Krause
Max-Planck-Institut für Astronomie
Tel.: (+49|0) 6221 – 528 352
E-Mail: krause@mpia.de



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