Hintergrundinformationen zur Pressemitteilung 09-02-05: Hi-Tech und Schützenhilfe vom Universum – wie diese Beobachtungen möglich wurden Wie in der Pressemitteilung 09-02-05: beschrieben, erscheint das Sternentstehungsgebiet in J1148+5251 mit seinem Durchmesser von nur 0.27 Bogensekunden – so groß wie eine aus rund 18 Kilometer Entfernung betrachtete Ein-Euro-Münze. Im Bereich des sichtbaren Lichts ließe sich eine Struktur dieser Größe beispielsweise mit dem Hubble-Weltraumteleskop gerade noch erkennen. Allerdings ist J1148+5251 ein Quasar – ein Galaxie, in deren Kern massereiches Schwarzes Loch große Mengen der umliegenden Materie aufsaugt. Dabei werden gewaltige Mengen an Strahlung frei, durch die sich Quasare über die größten Distanzen im Universum hinweg nachweisen lassen. Andererseits wird die ungleich schwächere Strahlung der rund um den Kern gruppierten Sternentstehungsgebiete dadurch schlichtweg überstrahlt. Hilfestellung durch die kosmische Expansion Eine Wellenlänge gibt es dennoch, bei welcher die Strahlung der Sternentstehungsregionen stärker ist als die des Quasars. Damit die Gas- und Staubwolken überhaupt kollabieren können, müssen sie bereits etwas Energie abgeben. Doch was die Abstrahlung angeht, herrschen im Reich der Atome sehr restriktive Regeln – am bekanntesten ist der Umstand, dass ein Atom elektromagnetische Strahlung nur bei ganz bestimmten Frequenzen aufnehmen und abstrahlen kann, die den so genannten Spektrallinien entsprechen. Die Wolken, um die es hier geht, bestehen zum größten Teil aus molekularem Wasserstoff, dem es unter den herrschenden Bedingungen praktisch unmöglich ist, elektromagnetische Strahlung auszusenden. Dadurch schlägt die große Stunde für einen weiteren Wolkenbestandteil: einfach ionisiertem Kohlenstoff (also Kohlenstoffatome, denen ein Elektron fehlt), der einen Großteil der beim Kollaps freigesetzten Energie bei einer ganz bestimmten, für diese Ionen charakteristischen Frequenz abstrahlen kann: im Infrarotbereich, bei einer Wellenlänge von 158 Mikrometern (Emissionslinie). Mag der Quasar insgesamt auch ungleich heller sein als die Materiewolken – bei dieser einen Frequenz leuchten die Materiewolken heller als die Konkurrenz. Und da diese besondere Strahlung direkt mit dem Materiewolkenkollaps und daher mit dem Prozess der Sternentstehung zusammenhängt, ist sie für den Nachweis von Sternentstehungsgebieten ideal geeignet. Die schlechte Nachricht: Strahlung dieser Wellenlänge wird von der Erdatmosphäre vollständig absorbiert. Sie kann zwar mit Satellitenteleskopen nachgewiesen werden; diese allerdings sind nicht groß genug, um so kleine Strukturen abbilden zu können wie hier nötig. Abhilfe schafft – der Kosmos selbst! Das Universum expandiert, und dabei verändern sich nicht nur die Abstände zwischen fernen Galaxien: auch die Wellenlänge elektromagnetischer Strahlung, die durch den Kosmos eilt, wird immer größer (kosmologische Rotverschiebung). Bis die charakteristische Infrarotstrahlung der Sternentstehungsgebiete von J1148+5251 bei uns angekommen ist, hat sich ihre Wellenlänge um den Faktor 7.4 vergrößert, und sie erreicht die Erde in Form von kurzwelliger Radiostrahlung mit ungefähr einem Millimeter Wellenlänge (Hintergrundinformation: ein Faktor 7.4 entspricht einem so genannten z-Wert von 6.4). Diese Strahlung lässt sich vom Erdboden aus messen – zumindest unter günstigen atmosphärischen Bedingungen, wie sie für hochgelegene Observatoriumsstandorte charakteristisch sind. Neue Technik Nur so wurden die hier beschriebenen Beobachtungen möglich. Solche Radiostrahlung ist mit speziellen Radioteleskopen nachweisbar. Allerdings ist mit größeren Wellenlängen immer ein bestimmter Nachteil verbunden: Untrennbar mit der Wellennatur der elektromagnetischen Strahlung ist der Umstand verknüpft, dass es bei immer größeren Wellenlängen immer schwieriger wird, kleine Details eines fernen Objekts zu erkennen. Konkret: Um Details derselben Feinheit abbilden zu können muss ein Teleskop, das bei einem Millimeter Wellenlänge arbeitet, einen ungefähr 1000 Mal größeren Durchmesser besitzen als eines, mit dem im Bereich des sichtbaren Lichts beobachtet wird. Bis Ende 2006 waren Beobachtungen bei dieser spezifischen Wellenlänge mit der nötigen Detailschärfe schlichtweg nicht möglich. Dann allerdings erhielten die sechs Einzelantennen des IRAM-Interferometers, das auf 2550 Meter Höhe auf dem Plateau de Bure in den französischen Alpen angesiedelt ist, neue, weiterentwickelte Detektoren, mit denen sich diese 1-Millimeter-Strahlung nachweisen lässt. Bei Interferometern werden die Messungen einzelner Radioteleskope so kombiniert, dass das Leistungsvermögen dem eines weit größeren Teleskops entspricht – je größer der Abstand der einzelnen Teleskope, umso leistungsfähiger das resultierende Kombinationsteleskop. Im Jahre 2005 war das IRAM-Interferometer soweit erweitert worden, dass Strukturen von der Größe der Sternentstehungsregion in J1148+5251 mit ausreichender Präzision abgebildet werden konnten. Dass wir nun mehr über die Entwicklung von Sternen und Galaxien im frühen Universum wissen, verdanken wir daher einem günstigen Zusammentreffen der Entwicklung der Technik – und der Entwicklung des Universums als Ganzes. Zurück zur Pressemitteilung 09-02-05 |